Das Paris Tasting

Als die Weinjury von Paris oder Judgement of Paris bezeichnet man eine vom Weinhändler Steven Spurrier am 24. Mai 1976 organisierte Weinprobe in Paris. Bis heute hat keine Degustation die Weinwelt derart geprägt und auch verändert wie die Degustation vom 24. Mai 1976 im Hotel Continental in Paris. Dass die Höchstnoten nicht wie erwartet an die französischen, sondern an die kalifornischen Weine gingen, führte in der Fachwelt zu erheblichen Diskussionen. Bis dato hatten französische Weine generell einen herausgehobenen Ruf und man nahm gemeinhin an, dass die französischen Weine das Mass aller Dinge seien.

An der West Coast ist man sich heute noch einig, dass alleine diese eine Degustation Kalifornien auf die Weinweltkarte brachte und massgeblich am Aufschwung der kalifornischen Weingeschichte beteiligt war. Dieses Ereignis ist dermassen populär, dass es sogar 2008 von Randall Miller unter dem Titel „Bottle Shock“ verfilmt wurde. Neben Alan Rickman als Spurrier sind Bill Pullman, Rachael Taylor, Freddy Rodríguez, Eliza Dushku und Dennis Farina in weiteren Rollen zu sehen.

An diesem 24. Mai 1976 trafen sich zu dieser denkwürdigen Blindprobe Steven Spurrier, der Initiant dieser Weinprobe und Weinhändler, Patricia Gallagher von der Academie du Vin, Odette Kahn, Herausgeberin der Revue du Vin de France, Jean-Claude Vrinat, Eigner des Sterne-Restaurants „Taillevent“, Raymond Oliver, Inhaber des Restaurants „Le Grand Vefour“ Christian Vanneque, Sommelier des Sterne-Restaurants „Tour d’Argent“, Aubert de Villaine, Winzer und Teilhaber der „Domaine de la Romanée-Conti“, Pierre Tari, Eigentümer von „Château Giscours“, Pierre Brejoux, Generalinspekteur des französischen AOC-Institutes, Michel Dovaz vom französischen Weininstitut und Claude Dubois-Millot. Die Chardonnays stammten entweder aus dem Burgund oder aus Kalifornien. Die Rotweine waren Provenienzen aus dem Bordeaux oder aus Kalifornien. Bereits unmittelbar nach dem Tasting war schon der Teufel los.

Als die Ergebnisse verkündet wurden, war das Erstaunen gross. Einige Degustatoren wollten ihre Bemerkungen revidieren, und einer versuchte gar seine Bewertungen zu verändern, bevor ihnen Spurrier die Bewertungsbögen wegnahm.

Eine der Juroren, Odette Kahn, wollte ihren Bewertungsbogen, am Ende der Probe zurückzubekommen. Spurrier lehnte dies jedoch ab. Sie weigerte sich, mit Spurrier zu sprechen und beschuldigte ihn umgehend, dass er die Ergebnisse der Probe verfälscht habe.  Einer der Winzer, die gewonnen hatten, Warren Winiarski, erhielt Briefe von Leuten aus dem französischen Weingeschäft, die ihm erklärten, die Probe sei eine Farce gewesen. Im Kern argumentierten die Briefe, dass „jedermann wisse, dass französische Weine besser seien als kalifornische, und sie würden es stets sein.“ Noch 2005 weigerten sich einige der Juroren über diese Probe zu diskutieren, indem sie sagten, dass sie diese „zu sehr schmerze“.

Obwohl Spurrier viele Reporter eingeladen hatte, war der einzige teilnehmende Reporter George Taber vom Time Magazine, der auch prompt die Ergebnisse in die Welt hinausgab. Hochrangige Leute der französischen Weinszene verbannten in der Folge Spurrier aus dem Degustationszirkel von Hochklasseweinen, offenkundig als Strafe für den Schaden, den seine Weinprobe dem Image und der Überlegenheit der französischen Weine zugefügt habe.

Die französische Presse ignorierte diese Geschichte nahezu. Nach fast drei Monaten publizierte „Le Figaro“ einen Artikel mit dem Titel „Fand der Krieg der Weine statt?“ indem die Ergebnisse „belächelnswert“ genannt wurden und „könnten nicht ernstgenommen werden.“ Ganze Sechs Monate nach der Probe schrieb zusätzlich die Zeitung „Le Monde“ einen Artikel in einem ähnlichen Stil.

Wir können es uns gut vorstellen, wie das geschah. Die Fachjury, die ja mehrheitlich aus Franzosen bestand, hatte einfach den besser mundenden Weinen die höheren Noten gegeben, logisch, oder? Diese waren aber der Überzeugung, dass die besseren Weine sowieso die französischen Abfüllungen seien!

Ein Juror zum Beispiel betitelte einen Wein als „Die Grösse Frankreichs“, es entpuppte sich aber als einen Cabernet aus dem Napa Valley! Ein anderer Degustator meinte, dieser Wein sei definitiv ein Kalifornier, da er kein Bouquet habe! Nach der Verkostung stellte es sich aber heraus, dass es der Bâtard-Montrachet 1973 war. Die Kommentare und die Ergebnisse zeigen auf, dass die Juroren nicht in der Lage waren, kalifornische und französische Weine zu unterscheiden. Denn, hätten sie es gekonnt, die französischen Weine hätten das Klassement bestimmt angeführt, ungeachtet der Qualitäten, die sich im Glase befanden.

 

 

Die Pariser Weinprobe 1976 hatte eine revolutionäre Wirkung auf die Ausdehnung der Produktion und das Prestige der Weine in Kalifornien. Das Resultat des „Judgement of Paris“ gab ihnen Selbstvertrauen und die Sicherheit den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

 

Das Resultat dieser Degustation bei den Weissweinen:

 

1. Chateau Montelena Winery 1973 (Weinmacher Mike Grgich)

2. Meursault Charmes Roulot 1973

3. Chalone Vineyard 1974

4. Spring Mountain Vineyard 1973

5. Beaune Clos des Mouches, Maison Joseph Drouhin 1973

6. Freemark Abbey Winery 1972

7. Bâtard-Montrachet, Ramonet-Prudhon 1973

8. Puligny-Montrachet Les Pucelles, Domaine Leflaive 1972

9. Veedercrest Vineyards 1972

10. David Bruce Winery 1973

 

Alle elf Juroren vergaben die Höchstpunkte entweder dem Wein des Weingutes Chalone oder dem Chateau Montelena, beides Weine aus Kalifornien.

 

Das Resultat bei den Rotweinen:

 

1. Stag’s Leap Wine Cellars 1973 (Weinmacher Warren Winiarski)

2. Château Mouton-Rothschild 1970

3. Château Montrose 1970

4. Château Haut-Brion 1970

5. Ridge Vineyards Monte Bello 1971

6. Château Léoville-las-Cases 1971

7. Heitz Wine Cellars “Martha’s Vineyard” 1970

8. Clos Du Val Winery 1972

9. Mayacamas Vineyards 1971

10. Freemark Abbey Winery 1967

 

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde diese Degustation des Öfteren wiederholt. Klar, die Resultate wichen voneinander ab, eins aber hat sich nie verändert, die Sieger kamen immer aus Kalifornien.

Eine Neuverkostung wurde von Steven Spurrier anlässlich des 30. Jahrestages 2006 auf beiden Seiten des Atlantik organisiert. Wie «The Times» berichtete: „Obwohl die französischen Juroren, von denen etliche bei der ersten Verkostung dabei gewesen waren, die Niederlage der amerikanischen Weingüter erwartet hatten, mussten sie zugeben, dass die Harmonie der kalifornischen Cabernet Sauvignons sie wiederum verblüfft habe.“

Ja «Hergottstutz» - wissen die Franzosen immer noch nicht, wie spät es ist? Gerade nach der 1976er Degustation hätte ich mich, wenn ich dann ein Mitdegustator des Judgement of Paris gewesen wäre, einmal ein paar kalifornische Weine zu Gemüte geführt. Es ist ja nicht so, dass diese Degustatoren unbeschriebene Blätter wären, alle sind mit dem Wein eng verbunden – eng? Gerade das frage ich mich jetzt ernsthaft – entschuldigt bitte – eng verbunden seid ihr mit dem Wein nicht, jedenfalls nicht so eng wie man es heutzutage sein sollte.  Wohl immer noch den glorifizierten Nimbus von der «La Grand Nation» feiernd; dieser, geschätzte Leser hat Frankreich meiner Meinung nach am 18. Juni 1815 verloren. 30 lange Jahre hatten die Zeit sich wenigstens ein kleines bisschen mit anderen Weinen unserer Welt anzufreunden – nein, man ist dann lieber verblüfft, überrascht und erstaunt!

Hier wurde der Chauvinismus mit der Ignoranz gepaart!

Dabei wäre es so einfach...

If you love wine - you have to have an open heart.

Si vous aimez le vin - vous devez avoir une cœur ouvert!

Geht doch, oder…?  

 

Das Resultat 30 Jahre danach:

 

1. Ridge Vineyards Monte Bello 1971

2. Stag’s Leap Wine Cellars 1973

3. Mayacamas Vineyards 1971

4. Heitz Wine Cellars 'Martha’s Vineyard' 1970

5. Clos Du Val Winery 1972

6. Château Mouton-Rothschild 1970

7. Château Montrose 1970

8. Château Haut-Brion 1970

9. Château Léoville-las-Cases 1971

10. Freemark Abbey Winery 1967