Cabernet Sauvignon ist heute weltweit so etwas wie die Inkarnation des Rotweines. Es ist die populärste aller roten Rebsorten und wird in praktisch jedem Land der Erde, in dem die Rebsorte ausreifen kann, auch angebaut. So wurde Cabernet Sauvignon zur dominanten Spitzenrebsorte der Welt und ist inzwischen sogar die flächenmässig meistangebaute Rebsorte der Welt. Cabernet Sauvignon hat weltweit die 300'000 ha Marke überschritten. 100'000 ha davon wurden erst in den letzten zwei Jahrzehnten neu gepflanzt. In Kalifornien stieg seine Anbaufläche in den 1990er Jahren um 36 % und bis 2010 noch einmal um weitere 26 %!
Wie keine andere rote Rebsorte schmeckt Cabernet Sauvignon, egal wo er auf der Welt angebaut wird, unverkennbar nach Cabernet Sauvignon. Er ist in Geschmack und Charakter weniger abhängig von Jahrgang, Herkunft und Machart als andere rote Rebsorten. Immer bringt er satte Konzentration an Aromen und Gerbstoffen auf die Zunge, immer steht ein kraftvolles, nach schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, Zeder, Leder und dunkler Schokolade erinnerndes Bukett über dem Glas, das nur dann unangenehm in grüne Paprika und wenig attraktive unreife Aromen verfällt, wenn der Ertrag zu hoch und/oder das Klima so kühl war, dass die Trauben nicht physiologisch ausreifen konnten. Cabernet Sauvignon gedeiht als spätreifende Sorte, also am besten in wärmeren Klimata, in denen er physiologisch ausreifen kann.
Wegen seiner dicken Beerenschale und der vielen Kerne im Fruchtfleisch kann reinsortiger Cabernet Sauvignon, der nicht sorgfältig mazeriert und ausgebaut wurde, ruppig, hart und uncharmant ausfallen. Seine Struktur ist ungewöhnlich potent und präsent, doch Gerbstoffe und Farbintensität alleine ergeben noch keinen grossen Wein mit Fülle, Eleganz und Tiefe. Deswegen verschneidet man Cabernet Sauvignon in aller Welt mit anderen Rebsorten, wobei dabei das klassische Bordeaux-Rezept das bekannteste und weitverbreitetste ist: Der spätreifende kernige, für Rückgrat und stoffigen Körper sorgende, stets etwas hart agierende Cabernet Sauvignon wird dabei mit dem um bis zu zwei Wochen früher reifenden, fruchtigen weil dünnschaligeren, aber etwas behäbigen Merlot verschnitten; Cabernet Franc verleiht der Cuvée raffinierte kühle Frische und rassige Duftigkeit und in geeigneten Jahrgängen besorgt der kleinbeerige, noch dickschaligere Petit Verdot prägnante Würze und zusätzliche Farbintensität. In der Toskana harmoniert der dortige Sangiovese verblüffend gut mit Cabernet Sauvignon und in der Provence, Südfrankreich und Australien hat sich Syrah als interessanter Partner des Cabernet Sauvignon bewährt.
Um seine natürliche hohe Konzentration an Phenolen, die während der Mazeration den Beerenschalen und den reichlich vorhandenen Fruchtkernen entzogen werden, zu zähmen, hat sich der Ausbau im kleinen Holzfass für Cabernet Sauvignon als fast schon notwendige Voraussetzung für späteren Genuss etabliert. Durch bewussten Kontakt mit Sauerstoff während des Fassausbaus, der je nach Qualität und Reife des Weines bis zu 18 und mehr Monaten dauern kann, versucht man dabei die Polymerisation der Phenole/Gerbstoffe in feinere Bahnen zu lenken. Wie kaum eine andere rote Rebsorte belohnt grosser Cabernet Sauvignon diese Fassreifung mit subtil komplexen Geschmacks- und Aromastoffen, die sich über viele Jahre der Reife zu einem delikaten Bukett entfalten, das in seiner Vielschichtigkeit und Tiefe einmalig ist. Aus einem deftigen, gerbstoffbetonten harten Burschen in der Jugend wird so mit den Jahren ein gediegener, edler Grandseigneur, der Finesse vor Kraft und Komplexität vor Wucht stellt.
In den letzten Jahren kommen speziell aus Kalifornien reinsortige Cabernet Sauvignons, die so sorgfältig gekeltert und verarbeitet wurden und solange im Holzfass reifen konnten, dass sie unvergleichliches Weltklasseniveau erreichen, das den Weinen der alten Welt neue Massstäbe vorgibt. Die enorme Popularität der Rebsorte sorgt so für ungewöhnliche Qualitätsdynamik in jenen Weinbergen der Welt, in denen Cabernet Sauvignon engagiert angebaut wird. Um den Ursprung der Rebsorte ranken sich viele Märchen und Geschichten. 1997 ergab eine DNA-Analyse der berühmten Wein-Universität von Davis in Kalifornien, dass Cabernet Sauvignon mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Kreuzung aus Cabernet Franc und Sauvignon Blanc ist, was grosses Erstaunen in der Fachwelt auslöste, die bis heute aber unwidersprochen blieb. Tatsächlich tritt die Rebsorte nicht, wie immer wieder behauptet wird, schon im 16. Jahrhundert in Bordeaux offiziell in Erscheinung, sondern erst Ende des 18. Jahrhunderts, als im Médoc die ersten grossen Weingüter entstanden.
Neue Massstäbe für den Cabernet Sauvignon werden heute eher in der neuen Welt und dort vor allem in Kalifornien gesetzt, weniger in der alten Welt.
Das verrückte aber daran ist, dass eben bei weitem nicht alles Gold ist was glänzt, nicht jeder der hochpunktierten Weine und die, die mittlerweile zuoberst in der Begehrlichkeitsskala stehen, sind zwangsläufig auch tatsächliche Referenzweine.
Verführerisch aus der Sicht des Weinmachers diese als Vorbilder zu betrachten wäre es natürlich schon und dereinst wohl auch finanziell lukrativ, hat man dann diese, welche im Rampenlicht stehenden Weine in einer eigenen Art «nachgebaut».
Dieses Vorgehen könnte sich aber auch als Irrweg erweisen. Zumindest dann, wenn man den Anspruch an sich stellt, wirklich grosse Weine mit Alterungs- und zudem auch noblem ReifeAotenzial zu keltern. Nun, wo liegt dann hier der Unterschied?
Altern kann prinzipiell jeder Wein, dazu braucht es ausser Zeit nichts Weiteres dazu. Nur wie er sich dabei entwickelt, das ist eine andere Frage. Einer in seiner Jugend ungenügender Wein kann man lagern, solange man will, besser wird dieser nicht, nur anders - ungenügend wird er aber bleiben!
Wenn die Grundvoraussetzungen nicht stimmen, also das Ausgangsprodukt Wein bei der Abfüllung, wird es problematisch, nicht mit dem Altern, sondern mit der harmonischen Reifung.
Das lediglich nur Altern, ohne dabei zu reifen ergibt keinen Sinn, und dies nicht nur beim Wein, notabene!
Nun an was liegt es denn, wenn Wein zwar altert aber nicht reift? Es können dabei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, die allesamt zu erklären aber Seiten füllen würden und hoffentlich auch einmal geschrieben werden können.
Zum Anfang dieses Berichtes haben wir notiert, dass nicht jeder der hochpunktierten Weine und auch nicht alle, die zuoberst in der Begehrlichkeitsskala stehen, tatsächliche Traumweine im klassischen Verständnis sind.
Mit klassischem Verständnis meinen wir keinesfalls altbacken oder wie in der guten alten Zeit, wo teilweise die grossen Weine oft Dekaden im Keller schlummern (mussten), um irgendwann dann zugänglich zu werden. Vielmehr meinen wir, dass es dem Wein vergönnt sein müsste, in Harmonie und Würde zu reifen, um uns dereinst zu begeistern.
Eins ist aber auch sicher: ein guter Wein ist zu jeder Zeit seiner Evolutionsphase gut, manchmal halt noch ein bisschen ruppig, manchmal verschlossen aber er lebt und er entwickelt sich!
«Life is Cabernet!»